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Berühmtheiten und ihre Geschichten und Schicksale während der Renaissance und Reformation

Kaiser, Könige, Grafen und Äbtissinnen: Im Mittelalter besiegelten manche Berühmtheiten Zumikons Geschichte. Pfarrer Robert Epprecht hat mit den prominenten Geschichtszeugen «einen grossen, hübschen Faden» in das Zumiker Geschichtsbild gesponnen, wie er in seiner Chronik von 1975 schreibt. Das Vorhaben lohnt sich vor allem für die neuere und neuste Zeit, als Zumikon mit einer Reihe von landesweit bekannten Bewohnerinnen und Bewohnern aufwarten konnte und noch immer kann. Im Mittelalter agierte die in den Urkunden erwähnte Prominenz noch aus der Ferne: Kaiser Ludwig von Bayern verlieh 1333 die Reichslehen Zumikon, Waltikon und Gössikon vom deutschen Esslingen aus, und auch die bekannte Äbtissin Anna von Hewen, Vorsteherin des Fraumünsters von 1429 bis1484, hat den Fraumünsterbesitz rund um Zumikon wohl nie aus der Nähe gesehen.

Es gibt aber diverse Persönlichkeiten, die wohl einen Platz in Zumikons Geschichte verdienen.

Hans Waldmann (1435-1489), enthauptet am 6. April 1489

Hans Waldmann ist wohl der berühmteste Bürgermeister des Alten Zürichs und wurde 1482 in sein Amt gewählt. Hans Waldmanns Haus in Gössikon gehörte ursprünglich seiner Mutter. Diese übertrug den Hof ihren beiden Söhnen Hans und Heini.1461 kaufte Hans seinem Bruder dessen Anteil am Hof ab. Nach dem Kauf gab es zunächst Probleme. Sein Bruder Hans beanspruchte den Hofnämlich ebenfalls und klagte 1462 vor dem Zürcher Rat, er werde von Hans Waldmann belästigt. Im Lauf der Verhandlung stellte sich heraus, dass Hans Hofmann den Hof zwar vor einiger Zeit Waldmanns Mutter verkauft hatte; der Kauf aber noch nicht beurkundet wurde. Der Hof war ein Erblehen der Fraumünsterabtei, und diese hatte den Kauf noch nicht abgesegnet.

Hans Waldmann war sich Gerichtsfälle gewohnt, stand in diesem Jahr mehrmals wegen Schlägereien, Messer- und Degenkämpfe vor dem Rat.

Die Fraumünsterabtei genehmigte 1463 die Übertragung des Hofes an Hans Waldmann. Als Lehens-nehmerin hatte die Abtei Anspruch auf eine jährliche Abgabe. Hans Waldmann brauchte sich darum nicht zu kümmern, denn er liess den Hof durch einen Pächter bewirtschaften, der neben dem Pacht-zins auch den Lehenszins zu begleichen hatte. Der Pachtzins überstieg den Lehenszins um ein Mehr-faches. Der Hof in Gössikon diente also lediglich dem Zweck, sein Vermögen zu mehren.

Auf dem Höhepunkt seiner Macht besass Waldmann Dutzende solcher Höfe zur Bereicherung und ebenfalls die Burg Dübelstein bei Dübendorf. Zudem hat 1464 seine Hochzeit mit der wohlhabenden Witwe Anna Edlibach, deren Familie durch Eisenhandel reich geworden war, den sozialen Aufstieg ermöglicht. Er war Verwalter des Zürcher Einsiedlerhofs und nahm Einsitz in die adlige Gesellschaft der Constaffel.

Bekanntheit erlangte er vorab als Heerführer, nahm an Kriegszügen der Stadt Zürich teil und verdingte sich zeitweise als Söldner, bis er sogar zum Hauptmann aufstieg.

Den Höhepunkt seiner militärischen Laufbahn bildeten die Burgunderkriege in den Jahren 1476 und 1477, als Waldmann zeitweise das Hauptkontingent der eidgenössischen Truppen abführte, die Karl der Kühnen in den berühmten Schlachten von Murten, Grandson und Nancy besiegten.

Er war in Zürich auch Zunftmeister und Mitglied des Rats, nicht mehr aber der Constaffel, sondern als Vertreter der Handwerkerzunft zum Kämbel. 1482 wurde er zum Bürgermeister gewählt. In diesem Amt provozierte er 1489 durch Eingriffe in die alten Rechte der Untertanen den "Waldmannaufstand" der Landbevölkerung und wurde im gleichen Jahr durch eine Intrige der Zürcher Führungselite gestürzt. Am 6. April 1489 wurde der berühmte Besitzer eines Gössiker Hofes in Zürich enthauptet.

Konrad Winkler, ertränkt 1530

Konrad Winkler wurde ebenfalls hingerichtet. Winkler gehörte in der Reformationszeit zu den Täufern und wurde wegen «frevent lichen Handlungen» und «Uffrur gegen die Obrigkeit» gefangen genommen und 1530 ertränkt. Die Gerichtsakten führen ihn unter der Bezeichnung «USS dem Wassberg». Die Geschichtsschreibung ist sich einig. dass damit der Wassberg beziehungsweise das Wassbergholz; oberhalb von Zumikon gemeint ist. Pfarrer Robert Epprecht vermutet in seiner Zumiker Chronik, dass dieser Flurname damals den Chapf mit einschloss und Winkler demnach im Chapf wohnte. Ganz klar ist die Sache indes nicht. In einem Gerichtsurteil von 1525 - Winkler hatte die Predigt in Maur gestört und wurde deswegen gebüsst – wird sein Herkunftsort zum Amt Greifensee gezählt. Entsprechend lokalisiert das Historisch-Biographische Lexikon der Schweiz Konrad Winkler in die Gemeinde Maur. Auf der Forch, oberhalb von Aesch, gibt es bis heute einen Weiler namens Wassberg. Wohnte Konrad Winkler auf dieser, von Zumikon aus gesehen «falschen» Seite des Wassbergs. wäre der bekannte Täuferführer für die Zumiker Geschichte verloren.

Hans Bruppacher, ertränkt 1527

Immerhin liefern uns die Akten mit Hans Bruppacher einen passenden Ersatz. Hans Bruppacher, auch als «Bruggbacher» geschrieben, war ebenfalls ein Täufer und wohnte nachweislich in Zumikon. Er wurde mehrmals gefangen genommen und verhört. Seine Aussagengeben uns Einblicke in die Auseinandersetzung mit den Täufern bei der Durchführung der Zürcher Reformation in den 152oer Jahren. Hans Bruppacher wurde am 25. Januar 1525 in Zollikon vom Bündner Priester Jörg Cajakob, genannt Blaurock, getauft. Er gehörte damit zu den ersten Täufern im Zürcher Stadtstaat, welche die Erwachsenentaufe empfingen. Die einzigen überlieferten früheren Taufen fanden wenige Tage zuvor in einem Haus in Zürich (21.Januar) und am Dorfbrunnen von Hirslanden (22.Januar) statt. Die Taufen verstiessen gegen die Reformationsgesetze: Der Zürcher Rat hatte am 18.Januar 1525 für sein Untertanengebiet unter Androhung der Verbannung die Kindertaufe innert acht Tagen nach der Geburt befohlen und die Erwachsenentaufe verboten. Anschliessend wurden die Täuferführer Konrad Grebel und Felix Manz mit einem Redeverbot belegt und aus dem Zürcher Staatsgebiet verbannt. Das bedeutete den endgültigen Bruch zwischen der gemässigten Zwingli-Partei und den radikalen Anhängern der Reformation, die jede kirchliche und weltliche Autorität ablehnten. Die Forderung der Erwachsenentaufe, von den Gegnern abwertend als «Wiedertaufe» bezeichnet, untermauerte den Anspruch der Täufer, das Bekenntnis zum evangelischen Glauben freiwillig und ohne obrigkeitlichen Einfluss abzulegen. Die Zürcher Obrigkeit strebte demgegenüber die Einheit von Staat und reformierter Kirche an, duldete in Glaubensfragen keine Abtrünnigen und behandelte die Taufer fortan als Staatsfeinde. Zollikon entwickelte sich zum ersten Versammlungszentrum der verfolgten Täufer. Zumikon war in dieser Zeit nach Zollikon kirchgenössig. Es erstaunt deshalb nicht, dass auch Zumiker mit der Täuferbewegung in Kontakt kamen. Die erwähnte Taufe von Hans Bruppacher am 25. Januar 1525 fand anlässlich eines Abschiedsessens mit den verbannten Tauferführern im Hausvon Rudolf Thomann statt (heute Gstadstrasse 23-25). Innert einer Woche kam es an verschiedenen Orten in Zollikon zu rund 30 weiteren Taufen. Mit Uli Bruppacher, dem Sohn von Hans, wurde dabei ein weiterer Zumiker getauft. Am 29. Januar 1525 ergab sich für die Zumiker Kirchgänger eine weitere Gelegenheit, die Anliegen der Täufer kennenzulernen: An diesem Tag störte der Täuferführer Blaurock den ordentlichen Gottesdienst in der Zolliker Kirche, fiel dem Pfarrer ins Wort und setzte zu einer eigenen Predigt an. Am 30. Januar 1525 wurden Felix Manz, Blaurock und 25 weitere Täufer in Zollikon verhaftet. Unter den Gefangenen befand sich auch Hans Bruppacher. Im Verhör wurden die Einzelheiten seiner Taufe bekannt. Man habe in der damaligen Versammlung «lange geredt und gelesen». Da «Stund uf einmal Hans Bruppach uf, weinete und schruwe, wie er ein grosser Sünder wäre». Schliesslich bekannte er, «dass er sich wetti bekehren, und man solle ihn besprützen im namen des Vaters, des Sunes und des heiligen Geistes». Da habe ihn Blaurock mit einem «Gätzi mit Wasser» ,das heisst mit einer Schöpfkelle," bespritzt». Ob Hans Bruppacher nach einiger Zeit wieder auf freien Fuss gesetzt wurde, wird anhand der Akten nicht klar. Fest steht, dass er zu Beginn des Jahres 1530 erneut oder noch immer in Zürich gefangen gehalten wurde. Im Täuferprozess vom 20. Januar 1530 versuchten Huldrych Zwingli und eine Ratskommission ihn und die anderen vorgeladenen Taufer von ihrem Glauben abzubringen. Die meisten Gefangenen gaben nach und wurden darauf entlassen. Einzig Hans Bruppacher und ein Täufer aus Wattwil blieben standhaft. Am 2. Februar 1530 liess sich schliesslich auch der Wattwiler bekehren. Bruppacher hingegen beharrte weiterhinauf seinem Glauben und wurde «bei Wasser und Brot» in den neuen Gefängnisturm am Hirschengraben verlegt «bis er sich bekehrt».

In den damaligen Verhören gab Bruppacher zu Protokoll, dass er seinen Lebensunterhalt als Taglöhner «mit Dreschen und andern Arbeiten» verdiene. Wie manche Anhänger der Täufer gehörte er zur ärmeren Bevölkerungsschicht, die sich von der Reformation ein besseres Leben erhofft hatten, dann aber von deren Verlauf enttäuscht wurden. Er machte keinen Hehl daraus, dass er die Obrigkeit nicht anerkenne und sagte aus, er wolle «keinen Eid schwören», also der Obrigkeit den damals von allen Untertanen geforderten Treueeid verweigern. Typisch für die Haltung der Täufer war auch Bruppachers Ablehnung der Todesstrafe. Er berief sich auf das Evangelium, das in den zehn Geboten das Töten untersagt. Deshalbsolle auch eine christliche Obrigkeit «weder Mörder noch Dieben tödten».

Nach zwei Monaten Gefängnis wurde Hans Bruppacher erneut befragt. Da er seinem Glauben noch immer treu blieb, wurde er am 9.April 1530 zu einem weiteren Monat Gefängnis verurteilt. Am 28. Mai 1530 berichten die Akten schliesslich von seiner «Bekehrung» in Gegenwart des Propstes zum Grossmünster und nicht namentlich genannter «Freunde». Das rettete ihm das Leben. 1526 hatte nämlich der Zürcher Rat beschlossen, dass man bekennende Täufer «ertrencken und also vom Leben zum Tod bringen soll».1527 war mit Felix Manz der erste Täuferführer in der Limmat ertränkt worden. 1530 widerfuhr dies, wie erwähnt, auch Konrad Winkler «USS dem Wassberg».

In den folgenden Jahren gelang es der Zürcher Obrigkeit schliesslich, die Tauferbewegung zumindest im näheren Umkreis der Stadt Zürich zu ersticken. Eine obrigkeitliche Kontrolle der Kindstaufen ermöglichten die neu eingeführten Taufbücher. So auch in Zollikon, wo der Pfarrer seit 1561 über die Taufen von Zolliker und Zumiker Kinder Buch führte.

Johann Jakob Breitlinger (1575 – 1645), der erste Pfarrer in Zumikon von 1597 - 1600

Zurück zu den Prominenten. Der bekannte Zürcher Theologe Johann Jakob Breitlinger darf in dieser Reihe nicht fehlen. Als erster Pfarrer der 1597 gebildeten Kirchgemeinde Zumikon nimmt Breitlinger einen wichtigen Platz in Zumikons Geschichte ein. Die Pfarrstelle in Zumikon war in Breitingers Leben nur ein kleiner Nebenschauplatz und die erste Station in seiner Karriere. Zum bedeutendsten Zürcher Geistlichen seiner Zeit wurde er im späteren Leben. In Zumikon erstrahlte der Glanz seines Namens deshalb erst im Nachhinein.

Nach seiner dreijährigen Tätigkeit (1597 – 1600) und Zumikon wurde er Pfarrer von Albisriden, danach Professor für Logik und Rhetorik am Collegium humanitatis und Pfarrer der Kirche St. Peter. 1613 ernannte ihn der Zürcher Rat zum Antistes am Grossmünster, und in dieser Funktion gehörte er bald zu den einflussreichsten Theologen in der evangelischen Schweiz.

Wir tragen hier nach, was ihm geschichtlichen Ruhm einbrachte. Auf internationaler Ebene gehört dazu seine Teilnahme als Vertreter der reformierten eidgenössischen Orte an der Dordrechter Synode (1618-1619), deren Lehrregeln während des ganzen 17. Jahrhunderts die Richtschnur des kirchlichen Lebens bildeten. Als Zürcher Antistes veranlasste er kirchliche Neuerungen, welche die Zürcher Kirche nachhaltig prägten. Dazu zählt die von Breitinger 1619 durchgesetzte Reduktion der reformierten kirchlichen Feiertage auf Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Als Ersatz für die nicht mehr genehme Kirchweih (Chilbi) führte er Buss- und Bettage ein und forderte 1624 mit Erfolg das Verbot aller Formen des Theaters. Auch auf kirchenorganisatorischem Gebiet zeichnete er sich aus. Unter anderem verordnete er den Landpfarrern das Führen von Bevölkerungsverzeichnissen, die heute eine unschätzbare historische Quelle darstellen. Zur Förderung der Volksbildung verfasste er 1637 eine Zürcher Landschulordnung und tat sich nicht zuletzt auch auf militärisch-politischem Gebiet hervor: Breitinger verstand Zürich als evangelisches Bollwerk gegen die katholischen habsburgischen Mächte und setzte sich für die Modernisierung des Zürcher Wehrwesens und den Bau einer neuen Stadtbefestigung ein.

Das hohe Ansehen des ersten Zumiker Pfarrers gab Anlass zu Geschichten und Legenden. So erzählte man sich später, wie Johann Jakob Breitinger schon als Kleinkind mit seiner ersten Pfarrgemeinde in Kontakt gekommen sei: In Gössikon habe 1575 eine Versammlung der «angesehensten dortigen Bürger» stattgefunden, die über den Wiederaufbau der ehemaligen Kapelle berieten. «Da trat während der Beratung eine Frau in die Stube, hinter ihr eine Magd, welche auf ihrem Haupte ein Kind in der Wiege trug. Beide suchten eine Zuflucht gegen den niederströmenden Regen. Die Hausleute nahmen die Frau freundlich auf und kochten dem Kinde einen Milchbrei. Diese Frau war des Landvogt von Grüningen, Rud. Breitingers Tochter, die ihr neugeborenes Kind in der Wiege mit zu ihren Eltern genommen hatte, und dieses Kind war niemand anders als Johann Jakob Breitinger, so dass durch des Herrn wunderbare Führung diese Leute bei ihrem ersten Ratschlag gleich ihren ersten Prediger in der Wiege sahen. Diese merkwürdige Begegnung kam ans Licht, als Breitinger nach seiner ersten Predigt den Vorstehern der Gemeinde seine Herkunft erzählte und wurde von beiden Seiten als ein Fingerzeig Gottes freudig gepriesen.»

Die seit dem 19.Jahrhundert bekannte Episode, hier zitiert nach Albert Heers Geschichte der Kirche Zumikon 1926, wird zuweilen als Beleg angeführt, dass Zumikon 1597 vollzogene Trennung von Zollikon bereits 1575 angestrebt habe. Bei Erzählungen dieser Art sind die historischen Geschehnisse aber meist etwas zurechtgebogen. Das Daum der angeblichen Versammlung in Gössikon ist hier natürlich dem Geburtsjahr Breitingers angepasst. Die Bildung einer eigenen Kirchgemeinde war 1575 nur schon deshalb noch kaum ein Thema, weil Zumikon vor 1594 auch in politischer Hinsicht noch keine eigene Gemeinde bildete. Im Übrigen sind in der Geschichte auch einige Namen verwechselt. Der genannte Grüninger Landvogt Rudolf Breitinger war 1575 bereits seit zwei Jahren tot. Die Passage enthält trotzdem einen wahren Kern: 1575 hiess der Landvogt von Grüningen Felix Brunner, und dieser war tatsächlich der Vater von Breitingers Mutter Anna Brunner.

Historisch gesichert ist der Donationsbrief, den Antistes Johann Jakob Breitinger seiner ersten Pfarrgemeinde schenkte: Er überreichte Zumikon 1640 einen Schuldbrief der Zweckbestimmung, die Zinsen für die Entlöhnung des Schulmeisters aufzuwenden. Dank dieser Schenkung profitierte also auch Zumikon davon, dass der erste Pfarrer zum berühmten Antistes aufgestiegen war. Aus späterer Zeit ist ein weiterer Donationsbrief eines offenbar prominenten aber unbekannt gebliebenen Gönners erhalten geblieben.